13.02.2013
Abschied von Westafrika und Mein Bett
Wie immer, so erlebe ich auch diesmal den Abschied von Westafrika mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite bin ich nach dieser Reise so müde wie selten zuvor und freue mich auf mein eigenes Bett. Mein Bett! Auf der anderen Seite wird mir die Unmittelbarkeit und Fröhlichkeit der Westafrikaner im täglichen Leben fehlen. Wie immer ist es die Brüderlichkeit, die wichtigste(?) der drei Errungenschaften der französischen Revolution, die ich in Europa vermissen werde. Immer dort, wo Freiheit und Gleichheit unter Druck sind - und das ist eben in Westafrika leider der Fall - blüht das brüderliche Verhalten auf, dessen Abwesenheit in Europa man bei jedem Versuch, die Straße zu überqueren, beobachten kann. Bei all meinem - wie ich finde berechtigten - Stolz auf die Errungenschaften meiner Heimat - so zum Beispiel das soziale Netz, relative geringe Korruption, die Schulpflicht, die auch durchgesetzt wird - beklage ich dennoch die soziale Kälte, das überbordende Ego und das verbissene Beharren auf sein Gutes Recht, wie wenig schlüssig dieses auch sein mag. Die orale Kultur in Afrika bedingt Kommunikation; wenn es keine Stadtpläne gibt, muss man fragen; wenn keine Öffnungszeiten angegeben werden, muss man fragen. Dieses Bewusstsein, nämlich dass man auf andere angewiesen ist, dass man ohne den anderen nicht weiterkommt, ist naturgemäß in Afrika viel stärker als im ichbetonten Abendland. Dadurch ergibt sich in meinen Augen eine angenehme Zivilität, die eigentlich nur den Augen und Herzen eines Toubab(Weißen) verborgen bleibt, der von Armut und Schmutz abgelenkt eben glaubt, dass Zivilisation und - sagen wir - Mercedes ein und dasselbe sind! Ich will keinesfalls all die Missstände, die ich in Afrika sehe und fühle, verschleiern, sondern möchte nur feststellen, dass wir Europäer auch von Afrika und seinen Bewohnern lernen können, so seltsam und geradezu widersinnig es auch einem Europäer erscheinen mag, der Afrika nur aus der Presse kennt, die natürlich mit Berichten über mit Kalaschnikoff bewaffnete Kinder (die es ja auch leider gibt!) mehr Aufmerksamkeit erregt - sprich Geld verdient - als mit Berichten über das zivile Verhalten von Menschen, die ja noch nicht mal ein Wasserklosett besitzen!
Genug davon, gestern gab es die gute Nachricht, dass das Festival von Saint-Louis das BujazzO endlich offiziell einladen wird. Dadurch steht unser Tourplan, der zwar sicherlich noch da und dort verändert werden wird, aber auf den wir uns jetzt stützen können. Es wird ein Fest der Kulturen werden, da bin ich mir sicher. Alle meine Partner in Afrika wissen um die Bedeutung unserer Aktion, sie erklären mir, wie wichtig so ein Austausch für sie selbst ist, und ich selber bin gespannt wie ein Flitzebogen, was sich noch über das hinaus, was ich sowieso erwarte, ergeben wird! Wer nicht dabei ist, ist selber Schuld! Für ein paar Tage werde ich den Blog aussetzen, aber bitte, bleibt dabei und checkt mal ab und zu, wenn ich mich erholt habe, werde ich weiter berichten. A bientot!
P.S. Im Anhang noch eine Hymne auf.... Mein Bett!
11 - Mein Bett
Gut, dass es mir gehört! Meine Zuflucht, meine Burg, meine Heimat, meine Geborgenheit, meine einzige ungebrochene Verbindung zur Kindheit, meine Höhle und mein Schloss, und all dies einzig mir! Wie bequem oder luxuriös der Mensch auch reist, nichts vergleicht sich in der Entspannung mit dem erleichterten Sinken in die eigene Schlafstelle, den eigenen Geruch, die eigene, einzigartige und einzig völlig akzeptierte Bakterienbrutstätte und Unsauberkeit der ganzen Welt!
An diesem meinem Ort verbringe ich wie die Mehrzahl der Menschen in dem ihren mit Abstand die meiste Zeit meines Lebens, mein Bett umfängt mich in allen meinen Zuständen der Lust, des Schmerzes, der Verzweiflung, Freude, Langeweile, es ist Gefährte meiner Liebschaften, meines Triumphs und meines Versagens und schlussendlich - so hoffe ich, ähnlich wie die meisten Menschen - meines Todes. Es ist so eng mit mir verbunden, wie sonst nichts Materielles, in und auf ihm gebäre ich mich wie wir alle so ehrlich und ungeschminkt, wie es mir möglich ist. Jedes beliebige Bett der Welt kann das Bett eines beliebigen Menschen und damit zu dem seinen werden, der Ort, an dem es steht ist wichtig, kann aber wechseln, genauso wie das Bett selbst, das dennoch immerdar das Seine bleibt oder eben wird. So eng mit mir und meinen Gefühlen ist mein Bett verbunden, dass es mir oft lieber als menschliche Gesellschaft ist, nimmt es mich doch fraglos in seine bequeme Umarmung und tröstet mich mit seiner Wärme über viele Unwägbarkeiten des Lebens hinweg. Wenn ich mir die Decke über den Kopf ziehe, ist es nahe an der vergessenen Dunkelheit und Wärme vor meiner Geburt und verspricht mir anstrengungsloses Wohlbefinden wie es doch schon seit jeher mein gutes Recht ist!
Wie grausam ist es, dieses Paradies jeden Morgen viel zu früh zu verlassen! Ist es wirklich die Bestimmung eines jeden Menschen, also zum Beispiel die meine, täglich ungewollt die behagliche Molligkeit des einzigen Ortes, an dem er nichts zerstört oder verbraucht außer Sauerstoff, zu verlassen, um unausgeschlafen in den Wettlauf der Effizienz und der Mehrung des Wachstums zu starten, wobei ja sowieso nichts Gutes herauskommt, wie man tagtäglich beobachten kann? Oder sollte man nicht lieber dem Beispiel des Diogenes folgen, dessen Bett in Form eines Fasses zwar sicher nicht jedermanns Sache ist, der aber schon vor Christi Geburt die Weisheit des Liegenbleibens mit Löffeln gefressen hatte, wie man weiß, und der als leuchtendes Vorbild des Nichtstuns immerhin zu weitreichender Berühmtheit gekommen ist. Und wer weiß, wenn ich liegenbleibe, fällt mir vielleicht etwas ein, denn wo wenn nicht im eigenen Bett hätte ich mehr Muße und Gelegenheit, über Gott und die Welt nachzudenken und vielleicht eine gute Idee zu haben? Wenn man sich überlegt, wie viele Genies wahrscheinlich die unglaublichsten Dinge im Bette liegend ersonnen und erfunden haben, kommt man bald in Versuchung, sich überhaupt nicht mehr zu erheben und in aller Ruhe liegenzubleiben bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, zu irgend etwas wird es schon gut sein.
Aber halt! Hier zeigt sich eine weitere wunderbare Eigenschaft meines Bettes: Zwar liege ich dort gerne, aber bleibe ich zu lange, dann ist auch wieder nicht recht, weswegen ich dann meistens doch irgendwann aufstehe, und sei es auch nur zur Abwechslung. So richtig ausgeschlafen ist es dann auch eine Freude, den Körper in der Vertikalen zu bewegen, bis man des abends wieder glückselig erschöpft in das vertraute Kissen sinkt. Dieses wünschenswerte Verhältnis zu meinem Bett ist leider, leider äußerst selten, des Öfteren bekomme ich es nicht so häufig zu Gesicht, wie ich es mir wünschen würde, was meine Sehnsucht aber keineswegs schmälert,im Gegenteil.
Ich vermute, fühle, weiß, dass meine Mitmenschen diese Gemeinsamkeit, diese Vertrautheit, diese Gewissheit auf einen Zufluchtsort, den die eigene Schlafstätte darstellt, mit mir teilen, unabhängig davon wo oder wer sie sind. Im Slum in Mumbai hat jeder seine elende, aber doch eben seine Schlafstelle, die er liebt und verteidigt wie der Millionär die fünfzehn Schlafzimmer seiner Luxusvilla, in jeder Behausung und überall steht das Mein-Bett. Welch ein schöner Gedanke, der mich über alle politischen oder religiösen Glaubensgräben hinweg mit allen meinen Mitmenschen verbindet, die wir alle unschuldig in unseren Betten schlafen, vereint in Unbewusstheit und geheimen Träumen.
Als Toubab werden hier in Westafrika die Weissen bezeichnet, es ist nicht unbedingt als Kompliment gemeint.Gestern habe ich eine junge weisse Frau, die wohl gerade angekommen war, in der Mittagssonne joggen sehen. Sie hatte das typische Joggeroutfit an , die Kopfhörer ihres ipods in den Ohren, und war krebsrot. Sicher hat sie am Abend einen furchtbaren Sonnenbrand gehabt. Einige hundert Meter hinter ihr lief eine etwa gleichaltrige Afrikanerin, allerdings weil sie es offensichtlich eilig hatte, ein merkwürdiges Zusammentreffen, das dennoch Einiges über die Situation hier aussagt.