13.02.2013
Abschied von Westafrika und Mein Bett
Wie immer, so erlebe ich auch diesmal den Abschied von Westafrika mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite bin ich nach dieser Reise so müde wie selten zuvor und freue mich auf mein eigenes Bett. Mein Bett! Auf der anderen Seite wird mir die Unmittelbarkeit und Fröhlichkeit der Westafrikaner im täglichen Leben fehlen. Wie immer ist es die Brüderlichkeit, die wichtigste(?) der drei Errungenschaften der französischen Revolution, die ich in Europa vermissen werde. Immer dort, wo Freiheit und Gleichheit unter Druck sind - und das ist eben in Westafrika leider der Fall - blüht das brüderliche Verhalten auf, dessen Abwesenheit in Europa man bei jedem Versuch, die Straße zu überqueren, beobachten kann. Bei all meinem - wie ich finde berechtigten - Stolz auf die Errungenschaften meiner Heimat - so zum Beispiel das soziale Netz, relative geringe Korruption, die Schulpflicht, die auch durchgesetzt wird - beklage ich dennoch die soziale Kälte, das überbordende Ego und das verbissene Beharren auf sein Gutes Recht, wie wenig schlüssig dieses auch sein mag. Die orale Kultur in Afrika bedingt Kommunikation; wenn es keine Stadtpläne gibt, muss man fragen; wenn keine Öffnungszeiten angegeben werden, muss man fragen. Dieses Bewusstsein, nämlich dass man auf andere angewiesen ist, dass man ohne den anderen nicht weiterkommt, ist naturgemäß in Afrika viel stärker als im ichbetonten Abendland. Dadurch ergibt sich in meinen Augen eine angenehme Zivilität, die eigentlich nur den Augen und Herzen eines Toubab(Weißen) verborgen bleibt, der von Armut und Schmutz abgelenkt eben glaubt, dass Zivilisation und - sagen wir - Mercedes ein und dasselbe sind! Ich will keinesfalls all die Missstände, die ich in Afrika sehe und fühle, verschleiern, sondern möchte nur feststellen, dass wir Europäer auch von Afrika und seinen Bewohnern lernen können, so seltsam und geradezu widersinnig es auch einem Europäer erscheinen mag, der Afrika nur aus der Presse kennt, die natürlich mit Berichten über mit Kalaschnikoff bewaffnete Kinder (die es ja auch leider gibt!) mehr Aufmerksamkeit erregt - sprich Geld verdient - als mit Berichten über das zivile Verhalten von Menschen, die ja noch nicht mal ein Wasserklosett besitzen!
Genug davon, gestern gab es die gute Nachricht, dass das Festival von Saint-Louis das BujazzO endlich offiziell einladen wird. Dadurch steht unser Tourplan, der zwar sicherlich noch da und dort verändert werden wird, aber auf den wir uns jetzt stützen können. Es wird ein Fest der Kulturen werden, da bin ich mir sicher. Alle meine Partner in Afrika wissen um die Bedeutung unserer Aktion, sie erklären mir, wie wichtig so ein Austausch für sie selbst ist, und ich selber bin gespannt wie ein Flitzebogen, was sich noch über das hinaus, was ich sowieso erwarte, ergeben wird! Wer nicht dabei ist, ist selber Schuld! Für ein paar Tage werde ich den Blog aussetzen, aber bitte, bleibt dabei und checkt mal ab und zu, wenn ich mich erholt habe, werde ich weiter berichten. A bientot!
P.S. Im Anhang noch eine Hymne auf.... Mein Bett!
11 - Mein Bett
Gut, dass es mir gehört! Meine Zuflucht, meine Burg, meine Heimat, meine Geborgenheit, meine einzige ungebrochene Verbindung zur Kindheit, meine Höhle und mein Schloss, und all dies einzig mir! Wie bequem oder luxuriös der Mensch auch reist, nichts vergleicht sich in der Entspannung mit dem erleichterten Sinken in die eigene Schlafstelle, den eigenen Geruch, die eigene, einzigartige und einzig völlig akzeptierte Bakterienbrutstätte und Unsauberkeit der ganzen Welt!
An diesem meinem Ort verbringe ich wie die Mehrzahl der Menschen in dem ihren mit Abstand die meiste Zeit meines Lebens, mein Bett umfängt mich in allen meinen Zuständen der Lust, des Schmerzes, der Verzweiflung, Freude, Langeweile, es ist Gefährte meiner Liebschaften, meines Triumphs und meines Versagens und schlussendlich - so hoffe ich, ähnlich wie die meisten Menschen - meines Todes. Es ist so eng mit mir verbunden, wie sonst nichts Materielles, in und auf ihm gebäre ich mich wie wir alle so ehrlich und ungeschminkt, wie es mir möglich ist. Jedes beliebige Bett der Welt kann das Bett eines beliebigen Menschen und damit zu dem seinen werden, der Ort, an dem es steht ist wichtig, kann aber wechseln, genauso wie das Bett selbst, das dennoch immerdar das Seine bleibt oder eben wird. So eng mit mir und meinen Gefühlen ist mein Bett verbunden, dass es mir oft lieber als menschliche Gesellschaft ist, nimmt es mich doch fraglos in seine bequeme Umarmung und tröstet mich mit seiner Wärme über viele Unwägbarkeiten des Lebens hinweg. Wenn ich mir die Decke über den Kopf ziehe, ist es nahe an der vergessenen Dunkelheit und Wärme vor meiner Geburt und verspricht mir anstrengungsloses Wohlbefinden wie es doch schon seit jeher mein gutes Recht ist!
Wie grausam ist es, dieses Paradies jeden Morgen viel zu früh zu verlassen! Ist es wirklich die Bestimmung eines jeden Menschen, also zum Beispiel die meine, täglich ungewollt die behagliche Molligkeit des einzigen Ortes, an dem er nichts zerstört oder verbraucht außer Sauerstoff, zu verlassen, um unausgeschlafen in den Wettlauf der Effizienz und der Mehrung des Wachstums zu starten, wobei ja sowieso nichts Gutes herauskommt, wie man tagtäglich beobachten kann? Oder sollte man nicht lieber dem Beispiel des Diogenes folgen, dessen Bett in Form eines Fasses zwar sicher nicht jedermanns Sache ist, der aber schon vor Christi Geburt die Weisheit des Liegenbleibens mit Löffeln gefressen hatte, wie man weiß, und der als leuchtendes Vorbild des Nichtstuns immerhin zu weitreichender Berühmtheit gekommen ist. Und wer weiß, wenn ich liegenbleibe, fällt mir vielleicht etwas ein, denn wo wenn nicht im eigenen Bett hätte ich mehr Muße und Gelegenheit, über Gott und die Welt nachzudenken und vielleicht eine gute Idee zu haben? Wenn man sich überlegt, wie viele Genies wahrscheinlich die unglaublichsten Dinge im Bette liegend ersonnen und erfunden haben, kommt man bald in Versuchung, sich überhaupt nicht mehr zu erheben und in aller Ruhe liegenzubleiben bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, zu irgend etwas wird es schon gut sein.
Aber halt! Hier zeigt sich eine weitere wunderbare Eigenschaft meines Bettes: Zwar liege ich dort gerne, aber bleibe ich zu lange, dann ist auch wieder nicht recht, weswegen ich dann meistens doch irgendwann aufstehe, und sei es auch nur zur Abwechslung. So richtig ausgeschlafen ist es dann auch eine Freude, den Körper in der Vertikalen zu bewegen, bis man des abends wieder glückselig erschöpft in das vertraute Kissen sinkt. Dieses wünschenswerte Verhältnis zu meinem Bett ist leider, leider äußerst selten, des Öfteren bekomme ich es nicht so häufig zu Gesicht, wie ich es mir wünschen würde, was meine Sehnsucht aber keineswegs schmälert,im Gegenteil.
Ich vermute, fühle, weiß, dass meine Mitmenschen diese Gemeinsamkeit, diese Vertrautheit, diese Gewissheit auf einen Zufluchtsort, den die eigene Schlafstätte darstellt, mit mir teilen, unabhängig davon wo oder wer sie sind. Im Slum in Mumbai hat jeder seine elende, aber doch eben seine Schlafstelle, die er liebt und verteidigt wie der Millionär die fünfzehn Schlafzimmer seiner Luxusvilla, in jeder Behausung und überall steht das Mein-Bett. Welch ein schöner Gedanke, der mich über alle politischen oder religiösen Glaubensgräben hinweg mit allen meinen Mitmenschen verbindet, die wir alle unschuldig in unseren Betten schlafen, vereint in Unbewusstheit und geheimen Träumen.
06.02.2013
Einige Gedanken zum Turban
In den letzten Tagen habe ich, wie oben schon beschrieben, einen Turban getragen, aus Notwendigkeit, wie alle das in Mauretanien oder anderen afrikanischen Wüstengegenden tun.
Heute während der äußerst strapaziösen, fast siebenstündigen Fahrt mit dem Buschtaxi von Saint-Louis nach Dakar, auf der ich immer wieder eindöste oder mit halb geschlossenen Augen am Sitz klebte, gingen mir einige Gedanken zu diesem Kleidungsstück durch den Kopf. Ich trage das drei Meter lange, sehr leichte Tuch auf die Weise der Tuareg, wie es mir mein Freund Dhafer Youssef vor vielen Jahren gezeigt hatte. Die Mauretanier binden ihn anders, ich hab es mir zeigen lassen, konnte es aber nicht sofort nachmachen und muss es mir wohl nächstes Mal erklären lassen. Jedes Mal, wenn ich das Tuch anlege, sitzt es ein wenig anders, hat andere Falten, passt besser oder schlechter; er ist gleichsam die Chaostheorie oder das Apfelmännchen der Bekleidung, schon das kann man wohl von keinem anderen Kleidungsstück sagen. Er ist sozusagen das Nonplusultra der Kopfbedeckungen, denn mir fällt kein Hut oder Schleier oder irgendeine Kombination der beiden ein, die ähnlich effizient vor brennender Sonne und Staub und Wind schützen. Aber in Wirklichkeit ist der Turban eine Mehrzweckwaffe und kann für alles mögliche dienen. So kann man mit ihm selbst größere Wunden verbinden, man kann damit einen Feind fesseln, ein Reittier anhobbeln, Essen darauf servieren, Menschen, die in einen Brunnen gefallen sind, damit wieder herausziehen, ihn in einem Sandsturm als Führungsleine benutzen, sich damit tarnen (s.o.), ihn seiner Liebsten zärtlich um den Leib schlingen, ihn schließlich als Leichentuch benutzen. In der Tat ist es wohl das vielseitigste und wirklich genialste Kleidungsstück, das der Mensch erfunden hat, ich lasse mich gern korrigieren. Heute jedenfalls hat er mich wieder gegen Hitze und Fahrtwind und allzu neugierige Blicke und Zudringlichkeiten geschützt, gelobt sei mein Turban!
Zur guten Nacht noch einige Aufschriften auf Werbetafeln, die ich heute da und dort in der Wüste aufgestellt gesehen habe:
Hotel Big Faim
Alle Pestizide, die Sie für Aussaat und Ernte brauchen!
Darling, la Coiffure des Stars!
Ach, übrigens bin ich inzwischen überzeugt, dass " Au Bonheur des Dames" entweder ein Schuhgeschäft oder ein Friseursalon ist......
05.02.2013
Zum Frauenglück
Jetzt bin ich wieder in Saint-Louis, und das ging so:
Heute morgen kam wie verabredet Ousmane und kurz darauf sein Onkel. Dieser, ein Taxifahrer, sollte mich zum Gare Routier bringen, wo die Autos nach Rosso abgehen. Er setzte mich in ein Auto, blieb aber daneben stehen; aus gutem Grund, wie sich zeigte, da kurz darauf ein Polizist erschien, ein großes Geschrei losging und ich schon kurze Zeit später wieder in Onkels Taxi saß; da, wie er mir erklärte, der andere Fahrer ein Bandit ohne Lizenz sei, der mich gewiss geschröpft (Onkel sagte, die Kehle aufgeschlitzt, na ja) hätte. Auf jeden Fall fand er einen Freund, in dessen Taxi ich bald darauf saß und zwei Stunden auf die Abfahrt warten musste....Dann aber ging's flott nach Rosso, wo mich wieder Abdul erwartete. Dank dessen bargeldloser Magie brach ich meinen eigenen Weltrekord im Überqueren der mauretanischen Grenze, da ich drei Minuten später schon auf der Fähre stand. Fast(aber nur fast) hätten mir einige Touristen leidgetan, die mich mit gequälten Gesichtern an ihnen vorbeihuschen sahen; genau so wie übrigens die ungarischen Teilnehmer einer Rally Weißichwas. Die waren vor mir in der senegalesischen Grenzstation angekommen und befanden sich in einem großen Disput mit dem dortigen Beamten, was diesem überhaupt nicht gefiel. So nahm er demonstrativ meinen Pass und drückte seinen Stempel hinein, einfach um zu zeigen, dass er das gut kann, aber nicht bei wütenden Rallyefahrern....
Einem geschenkten Gaul...und schon saß ich im nächsten Wagen nach Saint-Louis. Der Vordersitz in diesen Taxis ist der teuerste, weil bequemste. Der war leider schon besetzt, und so nahm ich den zweitbesten Platz, zweite Reihe Fenster - so dachte ich, leider ließ sich das Fenster nicht hochkurbeln, sodass ich ohne meinen Turban sicher nicht gesund angekommen wäre. Nacheinander kamen wie in drei Zollkontrollen, bei denen meine afrikanischen Mitreisenden alle ihre Sachen aus- und wieder einpacken mussten. Mein Toubab-Gepäck blieb unbehelligt, ist doch mal ein Tip für Schmuggler... Im Gedächtnis geblieben ist mir ein einsames Gebäude mitten im senegalesischen Nichts, dessen Neonschild die Aufschrift "Au Bonheur des dames", was auf Deutsch etwa "Zum Frauenglück" heißen mag, trug. Ich komme nicht dahinter, was sich wohl in diesem Gebäude verbergen mag....
Insgesamt dauerte die Reise neun Stunden, und ich war froh, in meinem Hotel in Saint-Louis anzukommen. Dort traf kurz darauf der Koraspieler Ablaye Sissoko ein, der einer der Hauptprotagonisten unserer musikalischen Reise sein wird. Mit ihm habe ich verschiedene Details abgeklärt, und er wird mich, wie abgesprochen, im März in Köln besuchen, um die musikalische Linie auszuarbeiten. Ablaye ist ein "accomplished artist" und ich freue mich schon sehr auf unsere Zusammenarbeit. Gerade habe ich noch ein Dossier für die morgen tagende Programmkommission geschrieben und bin wirklich hundemüde, ein Zustand, der, wie ich bemerke, sich in letzter Zeit immer häufiger einzustellen scheint.
Aber nur Mut! Morgen geht's schon weiter nach Dakar!
01.02.2013
Unbefleckte Empfängnis
Gestern Abend hatte ich noch mit Ablaye Sissoko telefoniert, der im Moment in Paris ist. Er kommt am 5.2. nach Dakar und ich werde ihn voraussichtlich dort treffen, um ihn zu der Sitzung der Programmkommission zu begleiten.
Bin ich eigentlich noch Musiker? Zahlen, Verhandlungen, Besichtigungen, Konferenzen.... Gottseidank lassen die Taxifahrer alle recht laute Musik laufen, sodass ich nicht ganz den Kontakt zu meinem gewählten Beruf verliere. Aber ich will nicht klagen, ich mach's ja freiwillig; na gut, ein wenig jammern hilft meiner Psyche, hoffentlich.
Morgen geht's nach Nouakchott, das ist ziemlich kompliziert, ich muss ein Taxi bis Rosso nehmen, dann mit der Fähre über den Senegalfluss schippern, die schwierige Grenze nach Mauretanien überwinden (meine Freunde in Saint - Louis nennen sie "degeulasse", und raten mir, bloß kein Bargeld sehen zu lassen), um dann ein weiteres Taxi zu finden, das mich bis Nouakchott bringt. Aly Ndao, der Gitarrist und Manager von Maalouma, hat mich telefonisch mit seinem Cousin in Verbindung gebracht, der wiederum mir versicherte, dass morgen ein Bekannter von ihm in Rosso auf mich warten würde, um mir den Grenzübergang zu erleichtern. Da ich ein vertrauensseliger Mensch bin, werde ich ruhig und voller Hoffnung morgen losfahren, wir werden ja dann sehen....
Ganz früh war ich im Institut Francais, leider ist es mir nicht gelungen, mit der Leiterin Kontakt aufzunehmen, da sie in einer Konferenz war und mich leider nicht zurückgerufen hat; schade, denn eigentlich wollte ich mit ihr zusammenarbeiten, aber es geht auch so, außerdem wer weiß, wozu es gut ist.
Als ich vor einem Jahr nur einen einzigen Tag in Saint-Louis war, habe ich die Sängerin Louise und ihren Mann Matthias, einen Gitarristen, kennengelernt, wir haben ein wenig gejammt. Aus irgendeinem Grund hat mich Louise als ihren "Vater" auserkoren, ihre Familie hatte nichts dagegen. Ihren sechsmonatigen Sohn hat sie nach seinem Großvater(also mir) benannt, so geht das hier. Heute hab ich das Paar besucht und mir ihr selbstgebautes "Recording Studio" angesehen, da schick ich Euch hin, liebe BujazzOs, das ist Reality pur.....Übrigens, wenn ihr irgend etwas übrig habt, ein altes Mikro, Kabel, Saiten, alte Effekte, was auch immer, bitte packt es ein, wenn wir kommen, hier wird alles, aber auch alles gebraucht. Natürlich bin ich, sind wir Europäer alle reich im Vergleich zu den hier lebenden Musikern und ich unterstütze sie hin und wieder. Vor einigen Monaten kam ein Anruf von Louise, in dem sie mir erklärte, es sei gerade Ziegenfest, und sie habe keine Ziege...Naja, ich hab auch keine, aber ich brauch ja auch keine, war eh klar, was gemeint war. Inzwischen habe ich mir angewöhnt, nichts mehr zu spenden in Europa, sondern ich gebe die Geldbeträge, die ich mir leisten kann, lieber direkt an meine Freunde hier weiter, wenn ich reise, das macht meiner Meinung nach am meisten Sinn, und wenn's die Leute nur satt macht. So Leute, jetzt gönne ich mir noch einen Spaziergang am Strand und packe dann meine Siebensachen. Morgen dann ein Bericht aus Nouakchott, in'ch Allah!
31.01.2013
Alles im Fluss
Na klar sind wir gestern Abend noch in Saint-Louis angekommen, und ich habe ein wunderschönes Zimmer am Meer in dem Hotel bekommen, das ich als Aufenthaltsort für das BujazzO ins Auge gefasst habe. Morgen treffe ich den Besitzer und will mit ihm einen Preis verhandeln. Diesen Preis soll ich kommentarlos entgegen nehmen und dann Balde anrufen, der aus dem "weißen" einen "schwarzen" Preis, oder, wie er sagt, aus dem Prix de Toubab( das heißt einfach "Weißer") einen "Notre Prix" machen will, In'ch Allah. Ist übrigens bei Taxifahrten, wo jeder Preis erfeilscht werden will, auch so; beziehungsweise es sind immer meine afrikanischen Freunde, die den Preis aushandeln. Inzwischen bin ich allerdings auch nicht mehr ganz so schlecht im Verhandeln; am wichtigsten ist es, zuerst Guten Tag zu sagen, sonst wird man gleich als weißer Barbar erkannt und entsprechend preislich taxiert. Da ich die meisten Preise kenne, da meine Freunde sie mir im Vorhinein mitteilen, zahle ich aus Bequemlichkeit in der Regel freiwillig ein bischen mehr, dann habe ich einen glücklichen Taxifahrer und zahle immer noch weniger als ein Tourist.
Um neun holte Balde mich ab und wir liefen von Pontius zu Pilatus. Zuerst trafen wir Michel Albouri, einen großen Jazzliebhaber und den Urheber des Jazzfestivals in Saint-Louis. Er war gleich angetan von unserer Idee, das BujazzO mit afrikanischen Musikern auf die Bühne zu bringen, und schlug vor, sozusagen als Band in Residence zu agieren, sodass wir nicht nur auf der großen Bühne spielen, sondern auch davor und danach in kleineren Formationen oder Kooperationen mit Afrikanern in den Clubs der Stadt zusammenarbeiten sollen. Von meinem letzten Auftritt 2012 auf dem Festival weiß ich, dass die ganze Stadt während des gesamten Festivals vibriert und schwingt und so gut wie gar nicht schläft, das ist doch genau das Richtige fürs BujazzO!
Danach suchten wir Ben, den Generalsekretär des Festivals(ja, sowas gibt's) und schließlich Monsieur Diop, den Präsidenten, auf. Beide waren sofort überzeugt und der Präsident hat mir versichert, dass er unser Anliegen zu seiner Herzenssache machen wird. Allerdings tagt die Programmkommission erst am 6. Februar in Dakar, sodass wir erst dann verlässlich wissen werden was und ob und wann passiert. Alle drei haben mich wissen lassen, dass unsere Idee der des Festivals entspricht, sie erinnerten sich auch an Djibys und meinen Auftritt, auf den ich übrigens den ganzen Tag über von verschiedenen Leuten angesprochen wurde, die mich erkannten. Dann gab es noch eine neue Information: Jede Gruppe, die auf dem Festival auftritt, muss sich verpflichten, vorher nicht in Westafrika zu spielen. Das bedeutet wahrscheinlich, dass wir einige Tage später als geplant im Mai nach Afrika aufbrechen werden und stattdessen alle sonstigen Konzerte erst nach dem Festival geben werden. Im Moment ist aber noch viel zu viel im Fluss, als dass man jetzt schon Entscheidungen treffen könnte. So, hab noch mehr zu erzählen, bin aber jetzt ziemlich erledigt und lege mich hin, morgen mehr!
30.01.2013
Wusste ich es doch, dass es irgendwann wieder einen Knoten zu durchschlagen gilt! Wie oben berichtet, sollte mich Balde in einem Sammeltaxi um 10 Uhr abholen und ich deutscher Michel war um neun schon gestiefelt und gespornt, als eine SMS von Balde eintraf. In dieser erklärte er, dass er um halb neun beim Taxibahnhof gewesen sei, aber alle Taxifahrer wären müde gewesen, sodass sich unsere Abfahrt auf 14 Uhr verzögern würde. Aha, na gut, machte ich eben einen Spaziergang durch die Nachbarschaft, um um 13.30 wieder gestiefelt und gespornt zu warten. Um 14.30 rief ich Balde an, der sagte mir, er sei gleich da. So ging das hin und her, bis schließlich um halb fünf das Taxi mit Balde und zwei weiteren Passagieren eintraf. Hätte ich eigentlich wissen müssen, denn auf die Frage, wann der Bus abfährt, gibt es in Afrika nur eine Antwort:
Wenn er voll ist! Nun werden wir bei Dunkelheit in Saint-Louis eintreffen, und erst morgen kann ich die für unseren Aufenthalt wichtigen Leute treffen. Das Merkwürdige an obiger Geschichte ist, dass, als ich einstieg, niemand die Verspätung überhaupt erwähnte, also auch ich nicht.... Jetzt sitzen wir alle entspannt im Taxi und der Fahrer brettert nach Saint-Louis, während er sich mit Wattestäbchen die Ohren säubert, warum auch nicht. Gut, dass ich noch kein Hotel für die Nacht habe, wer weiß, wann wir ankommen und ob überhaupt. A la Bonheur!
29.01.2013
Der Vormittag ließ mich heute den gestrigen Tag büßen, der zwar, wie oben beschrieben, wunderbar, aber auch sehr anstrengend war. Am Mittag bin ich mit dem Taxi zur Patte d'Oie, dem Entenfuß, gefahren, um dort Djiby und die Sängerin Goundo, die er mir enpfohlen hat, kennenzulernen. Wir trafen bei Goundos Haus ein und wurden sofort zu Mafe, einem Gericht mit Reis und Erdnusssauce eingeladen. Das kleine Haus wirbelte vor Leben und Kindern. Djiby und ich bekamen den Ehrenplatz im Schlafzimmer und verspeisten unser Mafe auf dem Bett sitzend, zu zweit, da das Zimmer mehr Personen nicht fasst. Goundo ist eine Angehörige des Stammes der Bambara, leider hab ich sie noch nicht singen gehört, werde das aber nach meiner Rückkehr aus Mauretanien nachholen. Nach einer herzlichen Verabschiedung nahmen wir ein Taxi zu dem recht berühmten Sänger Sidi Sam, der auch eine PA-Firma besitzt, deren Hilfe wir uns vielleicht bedienen wollen. Wieder ein überaus herzlicher und freundlicher Empfang, Djiby kennt in Dakar jeden und wird von allen als der kommende Balaphon - Star betrachtet, da haben wir doch einen guten Fang gemacht! Nach einem kurzen Gespräch wurden wir sofort zum Essen eingeladen, es gab - Mafe, weswegen ich mich danach mühsam nachhause schleppte; ich fühlte mich so schwer, dass es mich wundert, dass der Taxifahrer kein Extrageld haben wollte...
Morgen um zehn holt mich Balde mit dem Taxi ab und dann geht's weiter nach Saint-Louis, eine etwa vierstündige Fahrt. Mein Aufenthalt in Dakar war jedenfalls bisher sehr angenehm, es ist schön, von Mensch zu Mensch weitergegeben, sozusagen überreicht zu werden; und ich fühle mich sicher und satt wie in Mutters Schoß. Drückt mir die Daumen, dass es so weitergeht!
28.01.2013
Quer durch Dakar
Was für ein Tag! Morgens traf ich mich mit Djiby im Goethe-Institut, wo wir gemeinsam mit Prof. Jeismann, dem Leiter, den geplanten Ablauf der Tour besprachen. Dr. Jeismann war sehr hilfreich und wir haben den 22.5. als Konzerttermin in Dakar festgelegt. Da es immer noch äußerst zweifelhaft ist , ob wir nach Mauretanien können, werden Dr. Jeismann und ich nach meiner Rückkehr aus Saint-Louis gemeinsam Monsieur Alban, den Leiter des Centre Culturel Francais in Dakar aufsuchen, den ich schon anlässlich meines Konzerts dort im Oktober kennengelernt habe, um eine Kooperation beider Institute in die Wege zu leiten. Unsere Wunschvorstellung ist eMikes, ein Konzert in Gambia und eines in Ziguinchor zu veranstalten.
Danach sind Djiby und ich zu dem Hotel gefahren, das er für uns ausfindig gemacht hat, La Residence. Es liegt direkt am Meer und ist für uns sehr gut geeignet, sodass ich gleich für unseren Aufenthalt reserviert habe. Inzwischen hatte ich schon richtig Hunger, und tatsächlich hat mich der Sicherheitsmann des Hotels gleich eingeladen, sein Mittagessen, ein leckeres Thiboudienne (Reis mit Kartoffeln und mikroskopischen Fleischteilen) mit ihm zu teilen, wundert ihr euch darüber, dass ich Afrika liebe?
Gleich ging es weiter zu Balde, dem Manager von Ablaye Sissoko, der mit uns die Tour bestreiten soll. Obwohl ich mit Ablaye mehrfach gemailt hatte, hat mir der bescheidene Mensch nicht gesagt, dass er selbst es ist, der die Programmation in diesem Jahr in der Hand hat! Ich nehme deshalb stark an, dass es kein großes Problem sein wird, den Auftritt in Saint-Louis zu arrangieren....
Dazu kommt, dass mich Balde morgen nach Saint-Louis begleiten wird, um mich dem Chef des Festivals vorzustellen und gute Preise bei Hotel und Bus zu erzielen. Ablaye ist leider auf Tour,deshalb werde ich ihn nicht sehen, allerdings kommt er Ende März nach Köln und wird einige Tage bei mir bleiben, um mit mir musikalisch zu arbeiten.
Nächste Station war das Haus von Pape Samory Seck, ganz im Norden von Dakar. Pape kenne ich seit letztem Jahr, ich hatte ihn zu einem Konzert des GlobalMusicOrchestra eingeladen. Er ist ein hervorragender Perkussionist, der zwischen Senegal und Bonn, wo er eine Wohnung hat, hin - und herpendelt, und ich habe ihn für die Tour verpflichtet; ein absoluter Glücksfall, da er nicht nur ein Topmusiker ist, sondern auch fließend Deutsch spricht!
Inzwischen war die Nacht hereingebrochen und Djiby und ich waren von dem ausgefüllten Tag ziemlich erledigt, sodass wir zu unseren jeweiligen Wohnungen zurückgekehrt sind.
Ich bin sehr glücklich und dankbar, heute hat sich Afrika mir wieder einmal von seiner magischen Seite gezeigt, alle Türen gingen auf und meine Gesprächspartner waren sehr hilfreich, überall hat man mir zu essen gegeben, was kann man mehr verlangen? Sicher wird es auch wieder Hindernisse zu überwinden geben, aber heute war ein Tag, den ich nicht verkaufen möchte! Aber so ist das halt, und wir Musiker wissen es am besten: Alles was wirklich geil ist, kann man nicht kaufen.....
Gleich zu Anfang meiner einmonatigen Residenz in Westafrika im Auftrag des Goethe-Instituts habe ich den Balaphonspieler Djibi Diabate kennengelernt. Norbert Hausen vom Institut in Dakar hatte mir eine Liste von Clubs gegeben, in denen örtliche und auch nationale Künstler spielen, und ich habe eine Menge davon besucht und tatsächlich eine Reihe von Musikern gehört und kennengelernt. Djibi spielte mit seiner Band und eine Sängerin kam spontan dazu.
Sonntag, 27.05.2012 So kann es kommen, da hatte ich mir vorgenommen, jeden Tag zu schreiben, aber die Wirklichkeit hat mich überholt. Djibi und ich haben von Mittwoch bis Freitag intensiv geprobt, was bei dem Klima in Saint Louis doppelt schwierig ist. Unser Probenraum war draussen vor dem Hotelzimmer und man musste mit einer Hand immer die Fliegen abwehren, was aber auch sein Gutes hat, weil es die Unabhängigkeit der Hände ungemein trainiert. Abends sind wir dann immer von unserem etwas außerhalb gelegenen Hotel zum Place Faidherbe gefahren, wo das Festival stattfindet. Dieser befindet sich mitten in der Stadt und tatsächlich nimmt die gesamte Bevölkerung am Festival teil, die Strassen sind bis zum frühen Morgen belebt, aus jeder Kneipe dringt Live-Musik und das Ganze ist ein riesiges Fest. Am Freitag war unser Konzert, zur besten Zeit um 22Uhr 30. Das Konzept des Global Music Orchestra ging voll auf und ich bin nicht unbescheiden, wenn ich feststelle, dass wir ein Höhepunkt des Festivals waren! Die Menschen haben verstanden, um was es uns bei der Musik geht, und das Publikum war nach wenigen Augenblicken bei uns. Im Anschluss an das Konzert gab es Zuspruch von allen Seiten, sowas habe ich noch nie erlebt, selbst nach zwei Tagen wurden wir überall angesprochen und die Menschen haben uns versichert, dass sie mit uns magische Momente verbracht haben. Das hört sich jetzt vielleicht wie Aufschneiderei an, aber wirklich, die Menschen haben uns und die Idee des GMO in ihr Herz aufgenommen, es waren bewegende Tage, die mir viel Energie und die Sicherheit gegeben haben, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Djibi hat hervorragend gespielt, unser Programm bestand aus Kompositionen von ihm, von mir, wir haben ein senegalesisches Stück gespielt und ein Höhepunkt des Programms war eine afrikanische Version von " Mir losse dr Dom in Kölle". Gerade bin ich nach heisser und anstrengender Fahrt in meinem Hotel in Dakar angekommen und wurde schon vom Sicherheitsbeamten beglückwünscht, denn offensichtlich hat das senegalesische Fernsehen einen kurzen Ausschnitt gezeigt. Da das Festival für den Senegal einen sehr grossen Stellenwert hat, hat das wohl die ganze Bevölkerung gesehen, a la bonheur! Gestern Abend haben wir noch im Institut Francais ab zwei Uhr morgens einen improvisierten Auftritt mit senegalesischen Musikern gehabt, das Ganze ging bis sechs Uhr morgens, sodass ich heute Nacht gar keinen Schlaf bekommen habe. Jetzt schnell was essen und dann ab ins Bett. Morgen geht es schon zurück nach Deutschland, aber ich bin sicher, dass das nicht mein letzter Aufenthalt im Senegal war. Music is alive!