21.02.2013
Fernsehen in Afrika
Eine der angenehmeren Seiten des Reisens ist der - jedenfalls für mich - gänzlich andere Umgang mit dem Fernsehen: ich selbst mache es so gut wie nie in Hotelzimmern oder Privatunterkünften an. Deutsche Gastgeber im Ausland haben nach meiner Erfahrung auch nicht wirklich Freude an fremdsprachigem Fernsehen; selbst wenn man die Sprache des jeweiligen Senders gut beherrscht, gelingt es dem Zuschauer doch nicht, sich wirklich für die Figuren und den soziokulturellen Hintergrund des Geschehens zu interessieren. Man schaut, wenn's geht, das Fußballspiel der Mannschaft, die einen interessiert; vielleicht mal die Nachrichten, obwohl das Internet auch in Afrika diese besser abbildet.
Bei den Afrikanern dagegen gehört es zum guten Ton, den Fernseher einzuschalten wenn Gäste kommen, vorausgesetzt er läuft nicht schon, wie er das für gewöhnlich den lieben langen Tag tut. Meistens dudelt irgendwas bei schlechtem Bild, die Kinder hängen natürlich davor; in Restaurants essen die Gäste mit den Augen auf den Bildschirm geheftet.
Für den vom öffentlich - rechtlichen Rundfunk verwöhnten (keine Angst, ich werde es mir zur Pflicht machen, in einem späteren Artikel dieses Wort und meine desungeachtet
keineswegs milde Haltung zu erklären) Deutschen ist es einfach unfassbar, was in bonbonfarbenen Lichtschwaden in afrikanische Behausungen quillt. Zwei junge Frauen habe ich gesehen, in einer noch leeren Gaststätte,vor einer aus dem Fernseher platzenden afrikanischen Musiksendung voller US-Pop-Abklatschen aus Westafrika; Talent verschwendet, Musik zerrissen, Traditionen verbraten, Neue Sklaven des Kapitals und der Mohrrübe, die dieses den afrikanischen Künstlern vor die Nase hängt und der jene getreulich hinterher laufen; nicht dass es bei uns anders wäre. Beide Damen konnten alles auswendig, sangen mit, träumten von dieser Existenz als Sternchen, nicht anders als die Mädchen hier. Und doch berührt es mich noch anders als hier, hier bin ich mir meiner Kultur sicherer, kritisiere ich mit dem Bewusstsein, dass meine Kritik für sich schon der Motor der Veränderung ist, was sonst! Aber dort... Nicht umsonst klagen meine Musikerfreunde in Dakar, dass sich nichts entwickelt, dass ihre eigene Kultur in dieser Stadt, dem Einfallstor des Westens, sich dem Diktat des Tourismus und dem fremdbestimmten Massengeschmack unterwirft.
Billigserien, die an kaum einem anderen Ort als Afrika ihre Viertverwertung erfahren könnten, sprengen alle Grenzen der Vorstellungskraft was Schauspiel, Thema, Durchführung, Licht und Musik angeht; die Botschaft dieser Machwerke ist so hundsgemein, glanzpoliert und darauf angelegt, unterprivilegierte Menschen zu sinnlosen Wünschen zu animieren, daß man im Vergleich dazu das Dschungelcamp getrost als Rentenwohnheim für behinderte Familienmitglieder betrachten kann, die auch mal ihren Spaß haben wollen. Hoffentlich hält die Kraft der oralen Kultur die Afrikaner davon ab, noch mehr und weiterhin den Vorreitern der Plastikkultur zu verfallen! In der Wüste habe ich Reihen von brandneuen Solarkollektoren gesehen, das Beduinenzelt gleich nebenan präsentierte stolz eine Satellitenantenne. Ja, Bildung ist das Wichtigste, steht auch im Vertrag der Öffentlich - Rechtlichen , aber ich habe meine Zweifel, ob die vielleicht im Programm versteckten Bildungsleckerli das Durchschnittspublikum erreicht, in Deutschland jedenfalls nicht. Obwohl, man findet Pflänzchen in der kleinsten Lücke: Ramesh Shotham und ich waren in Dakar bei der Schwiegermutter eines Freundes eingeladen und zwar extra deshalb, damit diese sich mit Ramesh in Hindi unterhalten konnte, was sie durch endloses Anschauen von untertitelten Bollywoodschinken gelernt hatte; siehste, sagt Sat.1, hab ich doch immer gesagt, sagt RTL.