10.02.2013
Alaaf!
Das erst Mal war ich in Bissau ganz kurz nach dem über 30 Jahre dauernden Krieg gewesen, der das Land in Elend und Armut getrieben hatte. Seitdem bin ich ziemlich regelmäßig alle zwei Jahre gekommen und konnte so die Veränderung im Zeitraffer betrachten. Das erste, was mir diesmal auffiel, war der Straßenverkehr. Gab es vor zehn Jahren außer den Autos der Regierung nur ein paar Uralt-Taxis, so konnte ich dieses Mal schon bei der Fahrt vom Flughafen den ellenlangen Stau bewundern, der sich täglich auf der Ausfallstraße der Stadt bildet. Die allermeisten Straßen sind nicht asphaltiert. Da die Regenzeit in Guinea von Furcht erregender Urgewalt ist, ähneln die Straßen der Stadt den Pisten der Mountainbiker. Es ist ein Wunder, wie die Einheimischen mit ihren oft altersschwachen Vehikeln, diese Wege bezwingen, oft behindert durch liegengebliebene Fahrzeuge, die mit afrikanischer Improvisationskunst und viel Spucke an Ort und Stelle repariert werden; wo auch sonst, denn Abschleppfahrzeuge gibt es genausowenig wie die Müllabfuhr. Nach dem Krieg waren Stromausfälle so häufig (besser gesagt, es gab so selten überhaupt Strom) dass die Einwohner den scheidenden Strom fröhlich mit "Luz Bye" - tschüss Licht - und das Wiederaufflackern des Lichts mit "Luz Bim" - Willkommen, Licht - begrüßten.
Zwar gibt es immer noch häufig Stromausfälle, aber die Situation hat sich merklich verbessert. Inzwischen ähnelt Guinea wieder viel mehr den anderen westafrikanischen Staaten in ihrer Quirligkeit und der Fröhlichkeit der Bewohner; anders als nach dem Krieg, als alles gelähmt darniederlag und der stärkste Eindruck, den ich damals mitnahm, der leere Ausdruck in den Augen der Kinder war. Im Moment ist Karneval in Bissau, der nach portugiesischer Tradition und mit viel einheimischer Musik gefeiert wird. Schwester Alice, eine brasilianische Nonne des Ordens der "Scolapia", also der Schulschwestern ist die Leiterin des örtlichen Gymnasiums. Ich hatte sie kennengelernt, als Carlos und ich ganz zu Anfang den Papierkrieg um unsere Schule ( Eine Schule für Bissau) geführt hatten, sie hat sich tatkräftig um unser Projekt gekümmert. Es gab ein herzliches Wiedersehen und sie lud mich ein, mir das Karnevalsfest ihres Lyzeums anzusehen. Den ganzen Morgen über präsentierten sich die verschiedenen Ethnien Bissaus in ihren typischen Gewändern und Tänzen, für mich eine unschätzbare Gelegenheit, Rhythmen, Bewegungen und Melodien der einzelnen Volksstämme kennenzulernen. Pepel, Balante, Bijagos, Fula, Manjaco, jede Ethnie hat ihre eigenen Traditionen. Das Ganze wurde von Trommeln und Gesängen begleitet, und die ansteckende Fröhlichkeit ließ mich in Zuckungen verfallen, so müssen meine versuchten Tanzbewegungen für die sich vor Lachen die Bäuche haltenden Guineenser ausgesehen haben...
Nach unserer anstrengenden Wiedersehensfeier am Tag zuvor waren Carlos und ich etwas abgeschlagen, sodass wir uns am Spätnachmittag trennten und uns in unsere jeweiligen Behausungen begaben. Endlich hatte ich mal wieder acht Stunden Schlaf! Gleich geht's weiter zur Hotelbesichtigung für das BuJazzO, und hoffentlich können wir noch den Leiter des Institut Francais treffen, der das Konzert in der Hauptstadt organisieren will. Danach werden wir versuchen, auch die Ilha de Bubaque in den Tourneeverlauf einzubeziehen, es gibt heute also Einiges zu tun. Und das Alles im Karneval von Bissau, Alaaf!
08/09.02.2013
Weißwurst in Dakar
Mit diesem wunderbaren Titel meine ich beileibe nicht mich selbst oder einen meiner Landsleute, nein, ich habe gestern bei meinen Gastgebern tatsächlich Weißwurst gegessen. Allerdings wurde diese nicht gekocht, sondern mit Olivenöl in der Pfanne gebraten, hoffentlich war das kein Sakrileg. Zur Besänftigung eventueller glühender Patrioten, die das Braten als Affront empfinden könnten, füge ich schnell hinzu, dass es dazu süßen Senf und echtes deutsches Weißbier, ungebraten, gab, zusätzlich als Beilage Spaghetti mit Parmesankäse. Es hat himmlisch geschmeckt. Sonst hätte ich auch wirklich Probleme bekommen, denn heute morgen gab es vor dem sehr frühen Abflug nach Bissau erstmal nichts zu essen. Carlos holte mich vom Flughafen ab (schon wieder Grenzmagie, ich bekam anstandslos ein Gratisvisum). Wir haben eine Verabredung mit dem Kultusminister von Bissau. Allerdings kommt der Karneval dazwischen, wir sitzen im Ministerium und warten, dass der Minister die Schönheitskönigin der westafrikanischen Staaten krönt. Kein schlechter Job, und eigentlich auch angenehm für Auge und Herz, wenn mir nicht der Magen bis zu den Schuhen herunterhängen würde, ich musste ihn schon mehrfach wieder hochziehen. Wenn ich doch nur eine Weißwurst hätte, gebraten, gekocht, geraspelt oder püriert, her damit!
Später
Schließlich empfing uns der Minister, der übrigens sehr gut Deutsch spricht, seine Frau war Deutsche und er hat das Fach früher unterrichtet. So war es ein Leichtes, sich mit ihm zu verständigen. Er versicherte uns seiner vollen Unterstützung und gab dem Generalsekretär Anweisung, mit uns zusammen zu arbeiten. Er sagte mir wörtlich: "Wir sind zwar arm, aber wir öffnen unsere Herzen..." Gegen Ende des Gesprächs sprach ich ihn auf das allgegenwärtige Plastik an, erwähnte das positive Beispiel Mauretaniens und bat ihn, darauf einzuwirken, dass auch in Guinea der Verkauf von Plastiktüten verboten werde. Er antwortete mir, dass das entsprechende Gesetz schon auf den Weg gebracht sei, eine gute Nachricht, und dass es übrigens eine mauretanische Firma sei, die das Gros des Profits mit Plastiktüten gemacht habe....so, so. Auf jeden Fall wird das BujazzO mit den afrikanischen Künstlern und seinem Programm hochwillkommen sein. Carlos und ich werden in den folgenden Tagen das Programm für Guinea ausarbeiten und gemeinsam mit dem Generalsekretär in die Wege leiten.
Dann ging es endlich! zum Essen. Carlos und ich hatten uns seit einigen Monaten nicht gesehen, und so feierten wir unser Wiedersehen anständig mit den guineeischen Camaroes, darauf hin gab es Pica, einen der Goldbrasse ähnlichen Fisch und - da Guinea ein überwiegend christlich-animistisches Land ist, trinkt man dort Alkohol - einen guten Brandy oder zwei. Der Abend endete in den sogenannten Barracas, die für den Karneval aufgebaut werden, erst gegen Mitternacht. Schön, schon wieder von Freunden empfangen zu werden!