Am Donnerstag, den 3.7. 2014 ist der Gründer des GlobalMusicOrchestras, MIke Herting Gastdirigent des Bundesjazzorchester, dass mit Musikern aus Westafrika spiet, die auch zum Kreis der GlobalMusicOrchestra-Mitstreiter zählen. Das Konzert finder ab 20 Uhr im Forum der Bundeskunstahalle, Bonn statt.
Endlich ist es soweit: Mike Herting und Djiby Diabate haben ihre erste CD "Saint-Louis Blooze" fertiggestellt. Im März wird sie erscheinen und bei einem Konzert am 19.3. im Stadtgarten zu Köln vorgestellt. Die beiden haben sich letztes Jahr auf den Straßen von Dakar kennegelernt und sind gleich darauf zum Jazzfestival in Saint-Louis im Senegal eingeladen worden. Nach diesem sehr erfolgreichen Konzert sind sie im Juli ins Studio gegangen. Zitat eines Kollegen: "Tolles Zusammenspiel, wunderschöne Platte!" Kommt zum Konzert!
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Das BuJazzO (Bundesjazzorchester) geht vom 9.5. bis 1.6.2013 auf große Westafrika-Tournee. Und zwar unter der Leitung von Mike Herting, GlobalMusicOrchestra. Alle Details finden sich in der schönen Tourbroschüre des Deutschen Musikrats, s. Link oder hier direkt zur PDF-Datei: http://bit.ly/18eydjo
http://www.bundesjazzorchester.de/aktuelles/tournee-westafrika-2013.html
Endlich ist es soweit: Mike Herting und Djiby Diabate haben ihre erste CD "Saint-Louis Blooze" fertiggestellt. Im März wird sie erscheinen und bei einem Konzert am 19.3. im Stadtgarten zu Köln vorgestellt. Die beiden haben sich letztes Jahr auf den Straßen von Dakar kennegelernt und sind gleich darauf zum Jazzfestival in Saint-Louis im Senegal eingeladen worden. Nach diesem sehr erfolgreichen Konzert sind sie im Juli ins Studio gegangen. Zitat eines Kollegen: "Tolles Zusammenspiel, wunderschöne Platte!" Kommt zum Konzert!
13.02.2013
Abschied von Westafrika und Mein Bett
Wie immer, so erlebe ich auch diesmal den Abschied von Westafrika mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite bin ich nach dieser Reise so müde wie selten zuvor und freue mich auf mein eigenes Bett. Mein Bett! Auf der anderen Seite wird mir die Unmittelbarkeit und Fröhlichkeit der Westafrikaner im täglichen Leben fehlen. Wie immer ist es die Brüderlichkeit, die wichtigste(?) der drei Errungenschaften der französischen Revolution, die ich in Europa vermissen werde. Immer dort, wo Freiheit und Gleichheit unter Druck sind - und das ist eben in Westafrika leider der Fall - blüht das brüderliche Verhalten auf, dessen Abwesenheit in Europa man bei jedem Versuch, die Straße zu überqueren, beobachten kann. Bei all meinem - wie ich finde berechtigten - Stolz auf die Errungenschaften meiner Heimat - so zum Beispiel das soziale Netz, relative geringe Korruption, die Schulpflicht, die auch durchgesetzt wird - beklage ich dennoch die soziale Kälte, das überbordende Ego und das verbissene Beharren auf sein Gutes Recht, wie wenig schlüssig dieses auch sein mag. Die orale Kultur in Afrika bedingt Kommunikation; wenn es keine Stadtpläne gibt, muss man fragen; wenn keine Öffnungszeiten angegeben werden, muss man fragen. Dieses Bewusstsein, nämlich dass man auf andere angewiesen ist, dass man ohne den anderen nicht weiterkommt, ist naturgemäß in Afrika viel stärker als im ichbetonten Abendland. Dadurch ergibt sich in meinen Augen eine angenehme Zivilität, die eigentlich nur den Augen und Herzen eines Toubab(Weißen) verborgen bleibt, der von Armut und Schmutz abgelenkt eben glaubt, dass Zivilisation und - sagen wir - Mercedes ein und dasselbe sind! Ich will keinesfalls all die Missstände, die ich in Afrika sehe und fühle, verschleiern, sondern möchte nur feststellen, dass wir Europäer auch von Afrika und seinen Bewohnern lernen können, so seltsam und geradezu widersinnig es auch einem Europäer erscheinen mag, der Afrika nur aus der Presse kennt, die natürlich mit Berichten über mit Kalaschnikoff bewaffnete Kinder (die es ja auch leider gibt!) mehr Aufmerksamkeit erregt - sprich Geld verdient - als mit Berichten über das zivile Verhalten von Menschen, die ja noch nicht mal ein Wasserklosett besitzen!
Genug davon, gestern gab es die gute Nachricht, dass das Festival von Saint-Louis das BujazzO endlich offiziell einladen wird. Dadurch steht unser Tourplan, der zwar sicherlich noch da und dort verändert werden wird, aber auf den wir uns jetzt stützen können. Es wird ein Fest der Kulturen werden, da bin ich mir sicher. Alle meine Partner in Afrika wissen um die Bedeutung unserer Aktion, sie erklären mir, wie wichtig so ein Austausch für sie selbst ist, und ich selber bin gespannt wie ein Flitzebogen, was sich noch über das hinaus, was ich sowieso erwarte, ergeben wird! Wer nicht dabei ist, ist selber Schuld! Für ein paar Tage werde ich den Blog aussetzen, aber bitte, bleibt dabei und checkt mal ab und zu, wenn ich mich erholt habe, werde ich weiter berichten. A bientot!
P.S. Im Anhang noch eine Hymne auf.... Mein Bett!
11 - Mein Bett
Gut, dass es mir gehört! Meine Zuflucht, meine Burg, meine Heimat, meine Geborgenheit, meine einzige ungebrochene Verbindung zur Kindheit, meine Höhle und mein Schloss, und all dies einzig mir! Wie bequem oder luxuriös der Mensch auch reist, nichts vergleicht sich in der Entspannung mit dem erleichterten Sinken in die eigene Schlafstelle, den eigenen Geruch, die eigene, einzigartige und einzig völlig akzeptierte Bakterienbrutstätte und Unsauberkeit der ganzen Welt!
An diesem meinem Ort verbringe ich wie die Mehrzahl der Menschen in dem ihren mit Abstand die meiste Zeit meines Lebens, mein Bett umfängt mich in allen meinen Zuständen der Lust, des Schmerzes, der Verzweiflung, Freude, Langeweile, es ist Gefährte meiner Liebschaften, meines Triumphs und meines Versagens und schlussendlich - so hoffe ich, ähnlich wie die meisten Menschen - meines Todes. Es ist so eng mit mir verbunden, wie sonst nichts Materielles, in und auf ihm gebäre ich mich wie wir alle so ehrlich und ungeschminkt, wie es mir möglich ist. Jedes beliebige Bett der Welt kann das Bett eines beliebigen Menschen und damit zu dem seinen werden, der Ort, an dem es steht ist wichtig, kann aber wechseln, genauso wie das Bett selbst, das dennoch immerdar das Seine bleibt oder eben wird. So eng mit mir und meinen Gefühlen ist mein Bett verbunden, dass es mir oft lieber als menschliche Gesellschaft ist, nimmt es mich doch fraglos in seine bequeme Umarmung und tröstet mich mit seiner Wärme über viele Unwägbarkeiten des Lebens hinweg. Wenn ich mir die Decke über den Kopf ziehe, ist es nahe an der vergessenen Dunkelheit und Wärme vor meiner Geburt und verspricht mir anstrengungsloses Wohlbefinden wie es doch schon seit jeher mein gutes Recht ist!
Wie grausam ist es, dieses Paradies jeden Morgen viel zu früh zu verlassen! Ist es wirklich die Bestimmung eines jeden Menschen, also zum Beispiel die meine, täglich ungewollt die behagliche Molligkeit des einzigen Ortes, an dem er nichts zerstört oder verbraucht außer Sauerstoff, zu verlassen, um unausgeschlafen in den Wettlauf der Effizienz und der Mehrung des Wachstums zu starten, wobei ja sowieso nichts Gutes herauskommt, wie man tagtäglich beobachten kann? Oder sollte man nicht lieber dem Beispiel des Diogenes folgen, dessen Bett in Form eines Fasses zwar sicher nicht jedermanns Sache ist, der aber schon vor Christi Geburt die Weisheit des Liegenbleibens mit Löffeln gefressen hatte, wie man weiß, und der als leuchtendes Vorbild des Nichtstuns immerhin zu weitreichender Berühmtheit gekommen ist. Und wer weiß, wenn ich liegenbleibe, fällt mir vielleicht etwas ein, denn wo wenn nicht im eigenen Bett hätte ich mehr Muße und Gelegenheit, über Gott und die Welt nachzudenken und vielleicht eine gute Idee zu haben? Wenn man sich überlegt, wie viele Genies wahrscheinlich die unglaublichsten Dinge im Bette liegend ersonnen und erfunden haben, kommt man bald in Versuchung, sich überhaupt nicht mehr zu erheben und in aller Ruhe liegenzubleiben bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, zu irgend etwas wird es schon gut sein.
Aber halt! Hier zeigt sich eine weitere wunderbare Eigenschaft meines Bettes: Zwar liege ich dort gerne, aber bleibe ich zu lange, dann ist auch wieder nicht recht, weswegen ich dann meistens doch irgendwann aufstehe, und sei es auch nur zur Abwechslung. So richtig ausgeschlafen ist es dann auch eine Freude, den Körper in der Vertikalen zu bewegen, bis man des abends wieder glückselig erschöpft in das vertraute Kissen sinkt. Dieses wünschenswerte Verhältnis zu meinem Bett ist leider, leider äußerst selten, des Öfteren bekomme ich es nicht so häufig zu Gesicht, wie ich es mir wünschen würde, was meine Sehnsucht aber keineswegs schmälert,im Gegenteil.
Ich vermute, fühle, weiß, dass meine Mitmenschen diese Gemeinsamkeit, diese Vertrautheit, diese Gewissheit auf einen Zufluchtsort, den die eigene Schlafstätte darstellt, mit mir teilen, unabhängig davon wo oder wer sie sind. Im Slum in Mumbai hat jeder seine elende, aber doch eben seine Schlafstelle, die er liebt und verteidigt wie der Millionär die fünfzehn Schlafzimmer seiner Luxusvilla, in jeder Behausung und überall steht das Mein-Bett. Welch ein schöner Gedanke, der mich über alle politischen oder religiösen Glaubensgräben hinweg mit allen meinen Mitmenschen verbindet, die wir alle unschuldig in unseren Betten schlafen, vereint in Unbewusstheit und geheimen Träumen.
10.02.2013
Alaaf!
Das erst Mal war ich in Bissau ganz kurz nach dem über 30 Jahre dauernden Krieg gewesen, der das Land in Elend und Armut getrieben hatte. Seitdem bin ich ziemlich regelmäßig alle zwei Jahre gekommen und konnte so die Veränderung im Zeitraffer betrachten. Das erste, was mir diesmal auffiel, war der Straßenverkehr. Gab es vor zehn Jahren außer den Autos der Regierung nur ein paar Uralt-Taxis, so konnte ich dieses Mal schon bei der Fahrt vom Flughafen den ellenlangen Stau bewundern, der sich täglich auf der Ausfallstraße der Stadt bildet. Die allermeisten Straßen sind nicht asphaltiert. Da die Regenzeit in Guinea von Furcht erregender Urgewalt ist, ähneln die Straßen der Stadt den Pisten der Mountainbiker. Es ist ein Wunder, wie die Einheimischen mit ihren oft altersschwachen Vehikeln, diese Wege bezwingen, oft behindert durch liegengebliebene Fahrzeuge, die mit afrikanischer Improvisationskunst und viel Spucke an Ort und Stelle repariert werden; wo auch sonst, denn Abschleppfahrzeuge gibt es genausowenig wie die Müllabfuhr. Nach dem Krieg waren Stromausfälle so häufig (besser gesagt, es gab so selten überhaupt Strom) dass die Einwohner den scheidenden Strom fröhlich mit "Luz Bye" - tschüss Licht - und das Wiederaufflackern des Lichts mit "Luz Bim" - Willkommen, Licht - begrüßten.
Zwar gibt es immer noch häufig Stromausfälle, aber die Situation hat sich merklich verbessert. Inzwischen ähnelt Guinea wieder viel mehr den anderen westafrikanischen Staaten in ihrer Quirligkeit und der Fröhlichkeit der Bewohner; anders als nach dem Krieg, als alles gelähmt darniederlag und der stärkste Eindruck, den ich damals mitnahm, der leere Ausdruck in den Augen der Kinder war. Im Moment ist Karneval in Bissau, der nach portugiesischer Tradition und mit viel einheimischer Musik gefeiert wird. Schwester Alice, eine brasilianische Nonne des Ordens der "Scolapia", also der Schulschwestern ist die Leiterin des örtlichen Gymnasiums. Ich hatte sie kennengelernt, als Carlos und ich ganz zu Anfang den Papierkrieg um unsere Schule ( Eine Schule für Bissau) geführt hatten, sie hat sich tatkräftig um unser Projekt gekümmert. Es gab ein herzliches Wiedersehen und sie lud mich ein, mir das Karnevalsfest ihres Lyzeums anzusehen. Den ganzen Morgen über präsentierten sich die verschiedenen Ethnien Bissaus in ihren typischen Gewändern und Tänzen, für mich eine unschätzbare Gelegenheit, Rhythmen, Bewegungen und Melodien der einzelnen Volksstämme kennenzulernen. Pepel, Balante, Bijagos, Fula, Manjaco, jede Ethnie hat ihre eigenen Traditionen. Das Ganze wurde von Trommeln und Gesängen begleitet, und die ansteckende Fröhlichkeit ließ mich in Zuckungen verfallen, so müssen meine versuchten Tanzbewegungen für die sich vor Lachen die Bäuche haltenden Guineenser ausgesehen haben...
Nach unserer anstrengenden Wiedersehensfeier am Tag zuvor waren Carlos und ich etwas abgeschlagen, sodass wir uns am Spätnachmittag trennten und uns in unsere jeweiligen Behausungen begaben. Endlich hatte ich mal wieder acht Stunden Schlaf! Gleich geht's weiter zur Hotelbesichtigung für das BuJazzO, und hoffentlich können wir noch den Leiter des Institut Francais treffen, der das Konzert in der Hauptstadt organisieren will. Danach werden wir versuchen, auch die Ilha de Bubaque in den Tourneeverlauf einzubeziehen, es gibt heute also Einiges zu tun. Und das Alles im Karneval von Bissau, Alaaf!
08/09.02.2013
Weißwurst in Dakar
Mit diesem wunderbaren Titel meine ich beileibe nicht mich selbst oder einen meiner Landsleute, nein, ich habe gestern bei meinen Gastgebern tatsächlich Weißwurst gegessen. Allerdings wurde diese nicht gekocht, sondern mit Olivenöl in der Pfanne gebraten, hoffentlich war das kein Sakrileg. Zur Besänftigung eventueller glühender Patrioten, die das Braten als Affront empfinden könnten, füge ich schnell hinzu, dass es dazu süßen Senf und echtes deutsches Weißbier, ungebraten, gab, zusätzlich als Beilage Spaghetti mit Parmesankäse. Es hat himmlisch geschmeckt. Sonst hätte ich auch wirklich Probleme bekommen, denn heute morgen gab es vor dem sehr frühen Abflug nach Bissau erstmal nichts zu essen. Carlos holte mich vom Flughafen ab (schon wieder Grenzmagie, ich bekam anstandslos ein Gratisvisum). Wir haben eine Verabredung mit dem Kultusminister von Bissau. Allerdings kommt der Karneval dazwischen, wir sitzen im Ministerium und warten, dass der Minister die Schönheitskönigin der westafrikanischen Staaten krönt. Kein schlechter Job, und eigentlich auch angenehm für Auge und Herz, wenn mir nicht der Magen bis zu den Schuhen herunterhängen würde, ich musste ihn schon mehrfach wieder hochziehen. Wenn ich doch nur eine Weißwurst hätte, gebraten, gekocht, geraspelt oder püriert, her damit!
Später
Schließlich empfing uns der Minister, der übrigens sehr gut Deutsch spricht, seine Frau war Deutsche und er hat das Fach früher unterrichtet. So war es ein Leichtes, sich mit ihm zu verständigen. Er versicherte uns seiner vollen Unterstützung und gab dem Generalsekretär Anweisung, mit uns zusammen zu arbeiten. Er sagte mir wörtlich: "Wir sind zwar arm, aber wir öffnen unsere Herzen..." Gegen Ende des Gesprächs sprach ich ihn auf das allgegenwärtige Plastik an, erwähnte das positive Beispiel Mauretaniens und bat ihn, darauf einzuwirken, dass auch in Guinea der Verkauf von Plastiktüten verboten werde. Er antwortete mir, dass das entsprechende Gesetz schon auf den Weg gebracht sei, eine gute Nachricht, und dass es übrigens eine mauretanische Firma sei, die das Gros des Profits mit Plastiktüten gemacht habe....so, so. Auf jeden Fall wird das BujazzO mit den afrikanischen Künstlern und seinem Programm hochwillkommen sein. Carlos und ich werden in den folgenden Tagen das Programm für Guinea ausarbeiten und gemeinsam mit dem Generalsekretär in die Wege leiten.
Dann ging es endlich! zum Essen. Carlos und ich hatten uns seit einigen Monaten nicht gesehen, und so feierten wir unser Wiedersehen anständig mit den guineeischen Camaroes, darauf hin gab es Pica, einen der Goldbrasse ähnlichen Fisch und - da Guinea ein überwiegend christlich-animistisches Land ist, trinkt man dort Alkohol - einen guten Brandy oder zwei. Der Abend endete in den sogenannten Barracas, die für den Karneval aufgebaut werden, erst gegen Mitternacht. Schön, schon wieder von Freunden empfangen zu werden!
08.02.2013
Gedanken zur Nacht
Es ist vier Uhr morgens und ich liege wie fast jede Nacht in Afrika wach und versuche, die Eindrücke und Bilder dieser intensiven Reise zu verarbeiten. Heute möchte ich eine andere Geschichte erzählen, die ich vor einigen Jahren auf der indonesischen Insel Lombok erlebt habe. Ich war mit der Fähre aus Bali gekommen und hatte mir ein Moped gemietet, mit dem ich quer durch die Insel auf die andere Seite in den kleinen Ort Kuta geknattert war. Dort angekommen, hielt ich auf der Straße jemanden an und fragte ihn, wie die vorherrschende Musik der Insel heiße und ob ich wohl etwas davon hören könne. Der freundliche junge Mann antwortete mir, dass die traditionelle Musik "Sassak" sei, schwang sich auf meinen Rücksitz und dirigierte mich einige Kilometer durch die Landschaft, bis wir in einem kleinen Dorf ankamen. Dort war gerade auf dem Dorfplatz eine Probe im Gange, etwa 12 Musiker spielten, hauptsächlich auf selbstgebauten Instrumenten, die entfernt der Gitarre ähnelten. Die Musik war sehr rhythmisch und tatsächlich gehörten zur Gruppe einige wunderschöne Tänzerinnen in ihren traditionellen Gewändern. Ein kleines Kinderkeyboard stand unbenutzt dabei und ich fragte, ob ich wohl...? Na klar, war die Antwort (soweit ich verstand; denn Englisch sprach dort niemand und ich musste mich mit den wenigen Worten der Bahasa Indonesia behelfen, die ich im Laufe meiner Reise aufgeschnappt hatte), und so spielte ich mit, so gut ich konnte. Es schien den Kollegen zu gefallen, denn zwanzig Minuten später war die Probe vorbei und ich wurde aufgefordert, zusammen mit ihnen zu einem Gig zu fahren. Ein LKW kam, auf deren Pritsche Verstärker und Musiker geladen wurden, und wir holperten alsbald durch den Dschungel zu einem anderen Ort, wo eine große muslimische Hochzeit stattfand. Am Eingang des Dorfes lag eine frisch geschlachtete Kuh, jeder musste sie berühren, um an ihrer Wärme zu spüren, das sie vor kurzem noch gelebt hatte. Wir bauten neben dem Ziegenstall auf, man servierte uns zu essen, ich bekam das traditionelle Gewand umgeschlungen und schon ging's los. Wir spielten mehrere Stunden, immer wieder unterbrochen von weiteren Essenspausen, bis das örtliche Gamelanorcnester eintraf und übernahm. Die Kollegen luden ihre Instrumente wieder auf den LKW und wollten mit mir zur nächsten Hochzeit fahren, was ich aber ablehnte, weil ich ja eigentlich Urlaub machen wollte. Nach längerem Disput gab es einen herzlichen Abschied und ich kehrte zu meinem kleinen Hotel in Kuta zurück.
Dieses Erlebnis hat mich tief beeinflusst, denn weiter weg von meiner Heimat hätte ich kaum sein können, und hatte nach nur wenigen Stunden eine Möglichkeit gefunden, mit dem, was ich konnte zu überleben und in engen Kontakt mit der Bevölkerung zu kommen. Tatsächlich hätte ich auf der Insel bleiben können, eine Schule aufmachen(wozu ich gleich aufgefordert wurde) und eine Sassak-Karriere starten können. Diese Unabhängigkeit ließ mich mich frei fühlen und ich habe dieses Erlebnis nie vergessen; es hat mir oft über bittere Stunden, in denen ich wieder einmal mit Kleinkrämerei und Missgunst (das kennt jeder Künstler) zu kämpfen hatte; wusste ich doch, ich konnte, wenn ich wollte, einfach überall hingehen und überleben!
Dieses Gefühl der Verbundenheit mit der Bruderschaft der Musiker habe ich auch hier in Afrika. Überall treffe ich hier als Musiker auf offene Herzen und Geister, keine Tür bleibt verschlossen, man nimmt mich auf, mit Geld oder ohne. Gestern Abend habe ich, wie immer, wenn ich in Dakar bin, Ousmane besucht. Der besitzt ein kleines Bürgersteiggeschäft unweit des Institut Francais in der Innenstadt und ist ein Musikweiser mit immensem Wissen über afrikanische Musik sowie einem Blick und Herzen für Talente. Bei ihm habe ich auf einem Kinderspielzeug zum ersten Mal mit Djiby gespielt, den Ousmane behrbergt und verköstigt hatte, als er mittellos aus Burkina Faso gekommen war; den Kopf voller Sterne und dem unbedingten Wunsch, Youssou N'Dour, den berühmten Musiker und jetzigen Minister kennenzulernen. Ousmane hat Djiby geerdet, ihm geraten, nicht irgend etwas hinterherzulaufen, sondern sich auf sein Instrument und seine Musik zu konzentrieren, ein weiser Rat! Ist es ein Wunder, dass ich diesen lächelnden Mann mit seinem schlechten Gebiss mehr respektiere als so manchen aufgeblasenen Möchtegernegroß und Sesselfurzer meiner Heimat? Gedanken zur Nacht....
P.S. Zeit aufzustehen, gleich muss ich zum Flughafen, es geht nach Guinea-Bissau. Ich freue mich besonders auf meinen Freund Carlos Robalo, ein weiteres Exemplar der Spezies Gross und Gut, von dem ich viel über afrikanische Musik gelernt habe und der mich am Flughafen erwartet, da ich kein Visum habe und offensichtlich keins brauche. Wir werden sehen!
04.02.2013 Mauretanischer Tee So langsam fordert diese intensive Reise ihren Tribut von mir ein. Heute morgen war ich ziemlich erschlagen und bin in meiner Herberge geblieben und habe an die Decke geschaut. Mittags wurde ich abgeholt und zu Maaloumas Stiftung gebracht, wo ich mit Ali und Maaloumas Bruder weiter an dem Projekt der Notation der maurischen Musik arbeitete. Schon allein deswegen muss ich wieder nach Nouakchott zurückkommen und werde dieses Projekt dem Goethe-Institut unterbreiten, hoffentlich finden wir dort Unterstützung. Später fuhren wir gemeinsam zu Cheikh Labiat, einem weiteren bekannten Sänger, den ich schon letztes Jahr kennengelernt hatte. Cheikh ist ohne jede Ausbildung, aber unglaublich musikalisch begabt. Er stammt aus dem Westen Mauretaniens, ein Saharaoui mit einer wunderbaren Stimme und untrüglichem rhythmischen Gefühl sowie, man höre und staune, großem harmonischen Einfühlungsvermögen, das er mir auf der Gitarre demonstrierte. Er strahlt die Unmittelbarkeit und Wärme der Wüstenbewohner aus und hat gemeinsam mit Ali den Nachmittag über für mich gespielt. Leider wird Maalouma wohl nicht nach Saint-Louis zum Festival kommen, ich habe stattdessen Ali und Cheikh gebeten, gemeinsam mit uns im Mai in Saint-Louis zu bleiben. Morgen früh geht's wieder zurück nach Saint-Louis, die Zeit scheint nur so davon zu fliegen! Ich werde wohl wieder in ein Taxi nach Rosso gesetzt werden, wo mich ein weiteres Mal Abdul über die Grenze bringen soll. In Saint-Louis erwartet mich Ablaye Sissoko, mit dem ich anderen Tags nach Dakar fahren soll, um an der Konferenz der Programmkommission des Festivals teilzunehmen. Übrigens möchte ich nicht versäumen zu erwähnen, dass in Mauretanien seit dem ersten Januar diesen Jahres Plastiktüten verboten sind, da können wir uns eine Scheibe von abschneiden (natürlich nicht von der Plastiktüte!). Wie wichtig das für Westafrika ist, wird deutlich werden, wenn ich aus Guinea-Bissau berichte; falls sich dort nichts geändert hat, werde ich die Erde nicht berühren, sondern auf Plastik wandeln; verzeiht die - wenn auch nur geringfügige - Übertreibung. So, bei Cheikh gab's Unmengen des starken mauretanischen Tees, mal sehen, wie lange der mich noch wachhält... A demain! P.S. Heute streikt in Mauretanien das Internet, deshalb kann ich mein Blog wohl erst wieder morgen früh oder im Senegal veröffentlichen, bis dann!
03.02.2013
Invisible
Heute morgen habe ich zunächst das Centre Culturel Francais besucht und mit M.Bourdais, dem stellvertretenden Leiter gesprochen, den ich letztes Jahr kennengelernt hatte und mit dem ich seither in Kontakt stand. Die sowieso schon drei Meter hohe Mauer um Botschaft und Institut ist noch um zwei Meter Stacheldraht gewachsen. M.Bourdais und ich waren uns schnell einig, dass Mauretanien nicht auf der Liste der Länder steht, die wir mit dem BujazzO bereisen werden. Zum Einen gibt es eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes, zum Anderen beklagte M.Bourdais, dass er seit Ausbruch des Krieges in Mali überhaupt keine Veranstaltungen mehr durchführen dürfte; wie schade, war doch das Institut ein großer Förderer der Künste und der einheimischen Musiker. Aber wir beide geben nicht auf, vielleicht gibt es später noch eine Gelegenheit zur Zusammenarbeit. Der Besuch der Deutschen Botschaft versetzte mir einen regelrechten Schock, schien man mich doch dort als unverantwortlichen Hasardeur zu betrachten, der leichtfertig sei Leben aufs Spiel setzt! Nun reise ich schon ziemlich lange durch die Welt, und obwohl in Mali Krieg ist und vielleicht auch im Norden Mauretaniens die hier sogenannten Integristen ihr Rückzugsgebiet finden, so schien mir doch die Wagenburgmentalität der Deutschen übertrieben, jedenfalls waren die Franzosen cooler. Vielleicht straft mich der weitere Verlauf meiner Reise Lügen-hoffentlich nicht!-, aber mir ist doch auch im Gespräch mit anderen Deutschen aufgefallen, dass ich sozusagen low-profile reise. Die Anweisung an deutsche Beschäftigte in Nouakchott lautet, nicht zu Fuß zu gehen, nicht die Stadt zu verlassen etc. Ob man weniger auffällt, wenn man in dicken Toubab-Autos durch die Gegend fährt, wage ich zu bezweifeln(wie übrigens auch die hier schon lange lebenden Europäer), aber ich verstehe natürlich die Pflicht der Botschaft, Landsleute zu warnen. Außerdem leben sie in der Botschaftsenklave, die sie selten verlassen und sind natürlich markantere Ziele als ich es offensichtlich darstelle. Ich hatte mir wegen des Sandes gleich morgens einen Turban gekauft und war urplötzlich unsichtbar, wirklich, der Unterschied war eklatant, niemand schien mich als Weißen wahrzunehmen, ich wurde sogar auf Arabisch angesprochen, ich glaube, der Herr wollte mich nach dem Weg fragen. Als ich meine mauretanischen Freunde auf das Thema ansprach, beklagten auch sie die wachsende Unsicherheit der Europäer; aber was will man machen? Ein Drama, das sich hoffentlich bald zum Besseren wendet!
Mittags ging ich zu Maalouma, wo mich Aly und Maaloumas Bruder erwarteten und sogleich in ihr neues Projekt einbanden. Die musique maure, die aus genau den Gegenden stammt, die im Moment als das Aufmarschgebiet der Islamisten gelten, ist im Begriff, zu verschwinden. Maalouma als eine der letzten wirklichen Repräsentantinnen dieser Musik ist bestrebt, sie für die nachfolgenden Musikergenerationen zu bewahren, und hat mich gebeten, mit ihr und Aly zusammen die Theorie dieser Musikform zu notieren, ein sehr interessantes Angebot. Ich wurde als erstes eingeweiht in die verschiedenen pentatonischen Modi der maurischen Musik. Jede dieser Modi ist unterteilt in einen schwarzen, einen weißen und einen gemischten "Weg", und jeder dieser Wege kann wiederum "geschwärzt" oder
"geweißt" werden; nachdem, was ich bis jetzt verstanden habe, scheinen mir die "Blue notes" des Jazz unmittelbar mit diesen Färbungen zu tun zu haben. Klar, dass ich mich nach der jetzt anstehenden BujazzO-Reise damit beschäftigen werde, so werde ich also hoffentlich wieder nach Mauretanien zurückkehren. Morgen gibt's dann weitere Instruktionen, ich werde davon getreulich berichten. Bonne Nuit!